Fertig werden für Runde 2.

Runde 2

Am Dienstag, den 02. Mai 2017 war nach 337 Tagen der Prozess gegen das sogenannte Aktionsbüro Mittelrhein ausgesetzt worden. Der Prozess hatte bis dahin ohne Frage die letzten fünf Jahre das Leben aller Angeklagten maßgeblich geprägt. Ich habe in dieser Zeit gelernt, dass man in der Bundesrepublik problemlos knapp 2 Jahre wegen einer aufgebauschten Sammlung von Vorwürfen 22 Monate in U-Haft gesperrt werden kann, dass es offensichtlich problemlos möglich ist dabei mehr als 6 Monate in Isolationshaft gepackt zu werden und dass man nirgendwo so viel über die wirkliche Umsetzung der Strafprozessordnung in diesem sogenannten Rechtsstaat lernen kann wie in einem politisch aufgebauschten Mammutverfahren.

Heute kann ich sagen, dass die Verteter der Justiz im Lande Rheinland-Pfalz offensichtlich der Ansicht sind, dass ich noch nicht genug von und über sie gelernt habe, denn heute wurde der bereits am 04. Dezember gefasste Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz über die Wiederaufnahme des Verfahrens veröffentlicht.

Um es nicht unnötig spannend zu machen. Es geht natürlich in Runde 2.

Eigentlich könnte der Artikel hier bereits enden, aber wenn man verstehen möchte, was uns da eigentlich verkündet wurde, ist es notwendig, dass wir etwas weiter zurückgehen. Zurück bis in den Mai 2017.

Am 02. Mai 2017 wurde, wie oben bereits erwähnt, der Prozess ausgesetzt. Wenn man sich überlegt wie viel Zeit, Kraft und Geld der Prozess bereits zu diesem Zeitpunkt gekostet hat, las sich die Pressemitteilung des Landgericht Koblenz zum vorläufigen Ende damals sehr nichtssagend.

„Die Hauptverhandlung wird gemäß § 228 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. StPO ausgesetzt, da der Vorsitzende Richter nach den Bestimmungen des rheinland-pfälzischen Richtergesetzes mit Ablauf des 30.06.2017 wegen Erreichens der Altersgrenze zwingend aus dem richterlichen Dienst ausscheiden muss und auszuschließen ist, dass die Hauptverhandlung bis zu diesem Zeitpunkt zum Abschluss gebracht werden kann.“

Die in diesem Verfahren bis Ende Juni anberaumten Hauptverhandlungstermine wurden aufgehoben.

Der weitere Verlauf des Verfahrens ist derzeit ungewiss.

Der weitere Verlauf des Verfahrens war also ungewiss? Ein Formulierung, die bei mir schon damals irgendwie den Eindruck hinterlassen hatte, als hätte man Empörung beim Leser auslösen wollen. Im Tenor der Berichterstattung zum Prozess, die sonst immer darum bemüht war den Eindruck am Leben zu halten, dass vermeintlich unverschämte „Neonazis“ den Rechtsstaat permanent aushöhlen würden, hatte die Formulierung auf jeden Fall einen Beigeschmack.

Stimmungsmache in einer Pressemitteilung eines Landgerichts? Klingt irgendwie nach unwürdigem Verhalten in einem Rechtsstaat. Ändert nichts daran, dass der Satz sich trotzdem schon damals so las als würde man eine Brücke zu dem Gefühl bauen wollen, dass eine Gruppe vermeintlich frecher „Neonazis“ nach fünf Jahren Prozess nun einfach straflos davonzukommen droht, weil sie den Rechtsstaat am Ende überlistet haben. Wie auch immer. Die Debatten, die im Nachgang mit der Aussetzung des Verfahrens auch im rheinland-pfälzischen Landtag ausgelöst wurden, waren auf jeden Fall stark von dieser Sorge geprägt.

Als die damals noch vollständige Kammer kurze Zeit später dann auch noch eine Einstellung des Verfahrens wegen der Überlänge des Verfahrens verfügte, war klar, dass die Emotionen überkochen würden. Schließlich wäre eine Einstellung bereits lange vorher in einem anderen Kontext möglich und realistisch betrachtet auch fällig gewesen. Sie war nur politisch nicht erwünscht. Zu groß wäre damals schon der Gesichtsverlust gewesen. Im Schatten eines Endes des Verfahrens wegen der anstehenden Pensionierung des vorsitzenden Richters, war klar, dass der Aufschrei und die Sorge um das eigene Gesicht nur noch größer ausfallen musste.

Für die dann trotzdem erfolgte Einstellung des Verfahrens, als quasi letzte Amtshandlung der Kammer, bleiben für mich daher eigentlich nur zwei mögliche Erklärungen übrig. Entweder wollte man zum Abschluss der eigenen Karriere zurück zu einer Art Gerechtigkeit finden und Menschen, die man in den letzten fünf Jahren traktiert hatte, einen Weg zurück ins normale Leben ermöglichen oder man wollte sich selbst entlasten, weil man schon ahnte, dass eine Wiederaufnahme – was übrigens nichts anderes als einen Neuanfang bedeutet – ein erneuter Kraftakt für alle Beteiligten werden und vor allem wieder Millionen an Steuergeldern vergeuden würde. Vielleicht wollte man einfach die Schuldzuweisung für die erneute Steuergeldverschwendung nicht mit in den Ruhestand nehmen. Zumindest nach dem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts, halte ich diese Deutung für die wahrscheinlichste.

Denn wie das nun einmal so ist. Gegen eine Entscheidung einer Kammer, auch gegen die Einstellung eines Verfahrens, kann natürlich Beschwerde eingelegt werden und jedem Prozessbeteiligten war klar, dass die Staatsanwaltschaft dies nach den ganzen Jahren, die sie sich schon gegen eine vernünftige Lösung gesperrt hatte, auch tun würde. Natürlich erfüllten sich diese Erwartungen und damit lag die Entscheidung über das Verfahren nun gut ein halbes Jahr beim Oberlandesgericht Koblenz.

Bis vorgestern… Wieder ganz unspektakulär heißt es in dem Beschluss des OLG:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird unter Beschluss der 12. großen Strafkammer – Staatsschutzkammer – des Landgerichts Koblenz vom 29. Mai 2017 zu Ziffer I. (Einstellung des Verfahrens wegen überlanger Verfahrensdauer) aufgehoben.

Das Verfahren ist fortzusetzen.

Damit ist klar, dass es wieder losgeht. Jeder von uns hat sich wohl gewünscht, dass es anders enden würde, aber war das realistisch?

Einfache Antwort: Nein, war es nicht. Das Verfahren wurde eröffnet und damit kann es nur durch Einstellung oder Urteil enden. Eine andere Lösung sieht die Strafprozessordnung, also das Regelwerk für alle Strafprozesse in der Bundesrepublik Deutschland, einfach nicht vor. Betrachtet man den Aufschrei in den Medien und die stundenlangen Debatten im Landtag dazu, war eigentlich klar, dass das OLG bei allen Gründen, die eine Einstellung gerechtfertigt hätten, eine Wiederaufnahme – was nichts anderes als einen Neuanfang bedeutet – verfügen würde.

Die Unabhängigkeit der Justiz endet leider offensichtlich spätestens dort, wo man den Mut aufbringen müsste Entscheidungen, die gegen Zeitgeist, Politiker- und das Mediengekreische sprechen, zu treffen. Eigentlich war die Frage, ob es einen Neuanfang geben wird, also falsch. Sie hätte lauten müssen: „Wann kommt der Neuanfang?“ Dann wäre sie zumindest ehrlich gewesen.

Gerechtfertigt war die Forderung nach der Fortsetzung nie. Betrachtet man die Pressemeldungen zum Ende des Prozesses oder sucht sich die Aufzeichnungen des Gestammels der Politiker im Landtag von Rheinland-Pfalz heraus, findet man nur Stimmen, die den Anschein erwecken wollten als wären wir – die Angeklagten – bisher weitgehend frei von Schaden geblieben.

Im besten Fall werden die Dauer des Verfahrens und die daher verbauten beruflichen Chancen irgendwo thematisiert. Das hat aus dem Blickwinkel der Angeklagten aber in diesem Verfahren fast nur eine Nebensächlichkeit dargestellt. Viel einschneidender für jeden Lebensweg war ohne Frage die U-Haft. Zusammengenommen haben alle 26 anfänglich Angeklagten gut 25 Jahre im Gefängnis verbracht. Die letzten sieben Angeklagten, die 2014 aus der U-Haft entlassen wurden, haben allein jeweils zweiundzwanzig Monate in U-Haft verbracht. Zweiundzwanzig Monate U-Haft in einem Staat in dem die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 MRK) gelten soll; einem Staat in dem U-Haft eigentlich nicht länger als sechs Monate andauern sollte. Zweiundzwanzig Monate, die, so lehrreich sie auch gewesen sein mögen, jeden von uns aus dem bis dahin gewohnten Leben gerissen haben.

Wenn man sich dabei dann noch vor Augen führt, dass die letzten Haftbefehle am 07. Januar 2014 mit der Begründung aufgehoben worden sind, dass die Untersuchungshaft im Falle einer weiteren Haftfortdauer unverhältnismäßig zu werden drohe, muss man unweigerlich zu der Frage kommen, was die darauf folgenden drei Jahre Prozessdauer aus Sicht der Justiz eigentlich noch gerechtfertigt haben!

Auch wenn die Beweisaufnahme zum Zeitpunkt der Aufhebung der letzten Haftbefehle im Jahr 2014 noch lang nicht als auch nur annährend abgeschlossen betrachtet werden konnte, reichte es für diese Beurteilung durch die das Verfahren führende Kammer. Eine besonders hohe Straferwartung scheidet als Grund für die danach noch mehr als drei Jahre fortgesetzte Hauptverhandlung also aus. Es müssen daher schon damals andere Gründe die treibende Kraft für die Fortführung des Verfahrens gewesen sein.

Natürlich ist aus Sicht der Justiz ein Ende mit einer Verurteilung und damit einhergehend die Legitimation der Freiheitsberaubung gegenüber einem bis zum Urteil Unschuldigen erstrebenswert. Genauso wie für jeden Angeklagten ein Freispruch – also quasi die förmliche Anerkennung der Unschuld – hätte motivierend wirken können. Ein Interesse an einem Urteil bestand folglich auf beiden Seiten. Mit der Einstellung des Verfahrens im Mai wegen der Überlänge des Verfahrens hätte trotzdem ein Schlusspunkt gefunden sein können.

Nun ist alles wieder auf Anfang gestellt. Neue Richter, alte Ankläger und vor allem die verbliebenen Angeklagten. Trotzdem ist alles nicht wie 2012. Niemand ist in Haft und alle Seiten haben gelernt. Wir als Angeklagte haben in den 337 Verhandlungstagen mehr Erfahrung mit der Auslegung und Anwendung der Strafprozessordnung gesammelt als mancher Strafverteidiger vorweisen kann. Erfahrungen, die wir mit in die zweite Runde nehmen werden. Es liegt auf der Hand, dass wir in der Zwischenzeit auch nicht versöhnlicher geworden sind, schließlich reißt man uns erneut aus dem normalen Leben, erinnert uns an die vielen Strapazen und raubt uns – auch ohne erneute U-Haft – wieder die Möglichkeit eine normale Lebensplanung vornehmen zu können.

Wenn die neu zusammengesetzte Kammer die gleiche Haltung wie ihr Vorgänger einnimmt, ist klar, dass der Prozess auch in der zweiten Runde keine kurze Angelegeheit werden wird. Anklagevertreter und Angeklagte werden sich erneut mehr als uneinig über Schuld und Unschuld gegenüberstehen und der Neuanfang des Verfahrens wird wohl eher zu einer Verhärtung der Positionen führen. Der erste Anlauf des Prozesses war von Anfang an darauf ausgerichtet, dass die Angeklagten unter dem Druck der Situation zusammenbrechen sollten. Sind wir aber nicht und werden wir auch dieses Mal nicht!

Der gesamte Prozess mit damals 26 Angeklagten und einer enormen Anzahl an aufzuklärenden Anklagepunkten, war ein klarer Kunstfehler, der auf einer Fehleinschätzung von Staatsanwaltschaft und Gericht aufbaute.

Hintergrund dieser Fehleinschätzung war, dass man am Landgericht Koblenz in den vergangenen Jahren bereits mehr oder weniger gute Erfahrungen mit dieser Art der Verfahrensführung gemacht hatte. Der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung war – und ist es mit Sicherheit bis heute – bei Ermittlungsbehörden in Rheinland-Pfalz, so beliebt, weil er, während die Ermittlungen laufen, enorme Möglichkeiten zur Überwachung bietet und – und das ist im Kontext der politischen Verfahrensführung noch viel wesentlicher – weil auch Leute als Mitglied oder Unterstützer einer kriminellen Vereinigung inhaftiert und verurteilt werden können, die selbst keine Straftaten begangen haben, sondern sich dem unterstellten Gruppenwillen untergeordnet haben sollen.

Die meisten Leute brechen herausgerissen aus ihrem normalen Leben, in Anbetracht einer großen Maße an Vorwürfen, in Haft einfach zusammen, weil klar ist, dass die Aufarbeitung und der Beweis der Unschuld zeitintensiv ist und damit auch die unbequeme Situation der Untersuchungshaft deutlich länger ausfallen kann als die, im Falle einer Kooperation mit den Vertretern der Anklage, zu erwartende Haftstrafe.

Dazu kommt: Um die Aufarbeitung überhaupt angehen zu können braucht man Anwälte, die wirklich ein Interesse an der Sachaufklärung mitbringen. Auch wenn es traurig klingt, selbstverständlich ist das nicht. Viele Anwälte, die in großen Verfahren als Pflichtverteidiger landen, sind nicht sonderlich engagiert, wenn es um die Wahrnehmung der Rechte des Mandanten geht. Die Frage nach Schuld oder Unschuld spielt gerade in Großverfahren oft schon deswegen in den Gerichtssälen dieser Republik oft leider kaum eine Rolle.

In unserem Fall ging dieser Plan nicht auf und das Verfahren entwickelte sich komplett anders. Es gab bei vielen Angeklagten ein Bewusstsein, dass dieses Verfahren eine politische Dimension hat und einfach ein Angriff auf Menschen ist, die sich in nationalen Parteien und Gruppen engagieren oder in deren Umfeld bewegen. Aus diesem Bewusstsein hatte sich automatisch ergeben, dass der Großteil der Angeklagten gar nicht nach dem Weg des geringsten Widerstandes gesucht hat, sondern den gewählten Lebensweg auch verteidigen wollte.

Wenn die Staatsanwaltschaft Koblenz wirklich jemals an die Richtigkeit der auf 926 Seiten Anklageschrift zusammengetragenen Geschichte geglaubt haben sollte, hätte sie diese Sicht mit Beweisen zweifelsfrei in der Hauptverhandlung belegen können müssen. Das hat aber schon beim ersten Anlauf trotz all des Drucks, der mit U-Haft und Isolation erzeugt werden sollte, nicht funktioniert und wird im zweiten Anlauf noch weniger funktionieren.

Die Beweise für die Vorwürfe wollten wir damals sehen und das werden wir auch im zweiten Aufguss des Verfahrens einfordern. In Anbetracht der Vielzahl der Vorwürfe, war bereits im ersten Anlauf die Anzahl der notwendigen Beweisanträge hoch. Durch die nun neu hinzugekommenen Zeugen, die im ersten Anlauf noch nicht zum Zuge kommen konnte, weil sie als Mitangeklagte auch nach Verurteilung nicht so einfach zu Zeugen umfunktioniert werden konnten, wird die Anzahl der Beweisanträge mit Sicherheit nicht geringer ausfallen. Auch wenn solche Zeilen von naiven Zeitgenossen in Anbetracht des Verlaufs des ersten Anlaufs wie eine Drohung aufgefasst werden könnten, ändert das wenig an der zu erwartenden Kulisse.

Beweisanträge sind nun einmal die Instrumente der Verteidigung, um falsche Vorwürfe zu entkräften. Zusammen mit Befangenheitsanträgen, die bei nicht mit der Strafprozessordnung konformen Verhalten des erkennenden Gerichts gestellt werden können, bilden sie das Waffenarsenal, das der Rechtsstaat Angeklagten und ihren Verteidigern zur Verfügung stellt. Wer in ihnen Hilfsmittel zur Verschleppung eines Verfahrens sieht, nur weil ihm nicht passt, dass Angeklagte sich auch gegen Vorwürfe verteidigen statt sich einfach zu fügen, untergräbt damit einfach nur den Glauben an den sonst stets zur Legitimation bemühten Rechtsstaat.

Die Frage, wieso – nachdem mit der Aufhebung der Haftbefehle bereits zum Ausdruck gebracht wurde, dass die zu erwartende Strafe auch nach Ansicht der Kammer kaum über der bereits abgesessenen Untersuchungshaft liegen kann – nicht lange die Reißleine gezogen worden ist, bleibt.

Eine Antwort könnte die bis heute herausstechende Äußerungen des CDU Abgeordneten Dr. Wilke vom 21.Juli 2015 sein. In der 46. Sitzung des Rechtsausschusses des Landes Rheinland-Pfalz verstieg er sich zu der Äußerung, dass „es äußert fatal wäre, wenn dieser Prozess in irgendeiner Form platzen würde. Er habe ausgeführt gehabt, dass Herr Staatsminister Professor Dr. Robbers darauf keinen Einfluss nehmen könne.“ Es aber „für die Gesellschaft dieses Landes und für die politische Kultur äußerst wichtig“ wäre, „wenn dieses Strafverfahren zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden könnte. Dies wäre der dringende Wunsch der CDU, den man an unbekannte Adressaten äußern könne.“ (Siehe dazu: Sitzungsprotokoll der 46. Sitzung des Rechtsausschusses vom 21.07.2015)

Die Unabhängigkeit der Justiz gilt als eine Säule des Rechtsstaats. Der oben zitierte dringende Wunsch des CDU Abgeordneten Dr. Wilke – damals schon gerichtet an „unbekannte Adressaten“ – hinterlässt daher bis heute ein ganz ungutes Gefühl. Schließlich ist das Protokoll keine Mitschrift irgendeines Privatgesprächs oder die Niederschrift einer privaten Meinung, sondern die Mitschrift eines Redebeitrages eines Abgeordneten im Rechtsausschuss.

Bis heute ist nebulös wer die unbekannten Adressaten der Worte sein sollten. Angekommen scheinen sie allerdings zu sein. Objektiv betrachtet war bereits damals der Kreis der möglichen Adressaten sehr klein. Klar war auf jeden Fall, dass die Einstellung des Verfahrens dem dringenden Wunsch des Dr. Wilke zuwiderläuft. Am 5. Mai 2017 wurde in der 32. Plenarsitzung des Landtags von Rheinland-Pfalz dann auch bereits klargestellt, dass alle Parteien mit der Aussetzung mehr als unzufrieden sind. Jede Partei versuchte bereits damals daraus Kapital zu schlagen. Einig war man sich nur in dem Punkt, dass, auch wenn die richterliche Unabhängigkeit zwischendurch mal erwähnt worden ist, das Verfahren ein wichtiger Teil des Kampfs gegen Rechts gewesen sei. Ein sich wiederholendes Muster in dieser Republik, aber eine trotzdem merkwürdige Haltung, wenn die Vertreter des sogenannten Rechtsstaats im Verlauf und Ausgang eines Verfahrens einen Teil des eigenen politischen Kampfes sehen. Justizia wirkt so einfach instrumentalisiert und ihrer Unschuld beraubt.

Für die verbliebenen Angeklagten, also auch für mich, war die Aussetzung des Verfahrens so oder so kein Weg zurück in ein normales Leben. Die Kulisse aus einem Verfahren, das jederzeit wieder losgehen kann, einiger höchstwahrscheinlich ziemlich wütender Staatsanwälte, die sich der Lächerlichkeit preisgegeben gefühlt haben dürften und auch in der Vergangenheit nicht gerade durch besonnenes Vorgehen auf sich aufmerksam gemacht haben, und Politikern, die – selbst als das Verfahren noch nicht vor die Wand gefahren war – bereits dringende Wünsche zum Verfahrensausgang geäußert hatten, blieben das Damoklesschwert über unserem Alltag. Nun haben wir Gewissheit und wenn dieser Prozess erneut beginnt, werden wir uns erneut der Herausforderung stellen.

Die Rückkehr der Vernunft in Koblenzer Gerichtssäle und Richterzimmer wäre zwar auch aus unserem Blickwinkel wünschenswert, würde uns heute aber mehr denn je überraschen. Der Spiegel nannte Koblenz im Jahr 2002 einmal das Monte Carlo der Strafjustiz. Auch 15 Jahren später scheint eine andere Wahrnehmung mehr als schwierig.

Aufgeben ist für uns auf jeden Fall keine Option. Auch in Runde 2 bleibt daher das Motto: „Dran! Drauf! Drüber!“

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